„Das Innere des Äußeren“: Szenisches Konzert in der Jungen Oper Dortmund
(nmz) - |
Die Wirklichkeit läuft ab im Zuspielband. Da herrscht das Chaos der
Alltäglichkeit. Zufällig. Als Chaos gedacht. Absichtslos reagiert die Sopranistin dazu. Geräusche der Umwelt, Fluglärm, Autos, unklare, unsichere Lebenssituation, cagehaft erweitert und ineinander verwoben durch die tatsächlich zufälligen Regenprasselgeräusche auf dem Dach des „Jungen Theaters“ Dortmund.
14.01.2013 - Von Ute Büchter-Römer
Sie gehörten dazu und nicht dazu, aber es ergab sich die Verbindung von Innen und Außen. Die Aktion auf der Bühne, das kreisweiße Federlicht und die silberschimmernden Kugeln bildeten Zentren für das Agieren der Sopranistin. Irene Kurka baute einen Spannungsbogen auf, der vom ersten Stück des Abends über dieses freie, der Wirklichkeit entgegengesetzte Stück nicht-narrativen Musikgeschehens zum letzten Stück, wiederum mit Kontrabass führte. Ihr war der wesentliche Part der Spannungsgestaltung, der persönlichen Reaktion auf das Geschehen, das aus dem Alltag in den Kunstraum herüberwächst, zugefallen.
„Wann ist eine Szene eine Szene? Was unterscheidet sie von einem Konzert?“
Diese Fragen bildeten die zentrale Idee zu diesem Abend, der drei
Kompositionen bzw. klingende Szenen miteinander verknüpfte, in einer Regie von Joep Dorren. Zunächst stellten Irene Kurka, Sopran und Hans Eberhard Maldfeld, Kontrabass, die „Dialoghi d´amore IX“ von Nikolaus Brass dar. Die Bewegung der Stimme und der Töne des Basses ließen eine Geschichte von Zweisamkeit, Einsamkeit, Sprachlosigkeit, Trennung und Wiederfinden ahnen.
Sanft durchdrängen sich zeitweise die Klänge der Stimme mit denen des Kontrabasses. Die Kreislichtpunkte bildeten hier eine
Wanderbewegungsmöglichkeit, die Ferne und Nähe auf engstem Raum umzusetzen vermochte.
Das zweite Stück, „il faut la grande vie!“ von Eva-Maria Houben, greift in das Leben hinein, fängt die Lebensklänge ein: „Ereignisse wie Klänge gehen vorüber“ ist ein Motto zum Stück. Und: „Vorübergehen – Verschwinden: Sich verlieren – Verloren-geben.“ Auch der Zuhörer? Die Zuhörerin? Sich verlieren in der assoziierten Klangwelt? In einer dunklen imaginären Ruhe die eigene Leere oder die eigene Welt in sich finden? Die Freiheit dazu gibt die Komponistin. Keine Aufforderung, dies und nur dies, was sie meinte und fühlte zu erleben, in der Assoziationskette der Wirklichkeit, eine eigene finden.
Die „chants du passage“ von Antoine Beuger führen nun Sopran und Bass wieder zusammen, doch mehr in das Innere hinein: „ein weiter raum sanfter klarheit!“ Es geht in den Texten nach Gedichten von Anne Perrier um die Suche nach dem Schatten, um die Suche nach dem Weg, der „immer, immer weitergeht:“ Es scheint als sei es die Suche nach dem Tod „… ist die Stunde da …. Das Tür zum Garten öffnen … ohne Tränen … den Raum der Rose durchqueren … und sanft hinübergleiten von einem zu dem anderen Sommer“. Verhalten klingt die Stimme, fast unhörbar der Bass.
Ein szenisches Konzert. Szene. Musik. Das Innere suchen. Die Leere oder die Weite. Das ist die Freiheit.